„Kein Baum kann in den Himmel wachsen, wenn seine Wurzeln nicht bis in die Hölle reichen.“ Dieses Zitat wird dem Psychiater Carl Gustav Jung (1875-1961) zugeschrieben. Jung gibt hier ein altes mittelhochdeutsches Rätsel wider: „Ein edler Baum ist in einem Garten gewachsen, der mit großer Kunst angelegt ist. Seine Wurzel reicht bis zum Grund der Hölle und sein Wipfel berührt den Thron Gottes. Seine Zweige halten die ganze Welt umfaßt. Der Baum steht in voller Pracht und herrlich im Laub.“1 Des Rätselslösung: Es ist das Kreuzesholz Jesu.
Inhalt der Artikelserie "Advent, Advent, ein Lichlein brennt ..." (Einleitung)
1. Die verworrene Geschichte der Geburt Christi
2. Verehrung eines Babys in Endlosschleife
3. Candelifera, Juno, Lucia, St. Anna, Maria
4. Mit Kerzenlicht und Feuer gegen die Dämonen der Finsternis
5. Xmas/Christmess – Das Zeichen Kains
6. Vom Baum der Erkenntnis von Gut u. Böse zum Weihnachtsbaum
7. Unser Schöpfer und Erlöser ist anders - Der Baum des Lebens (folgt in Kürze)
8. „Ich komme bald!“ (folgt in Kürze)
Es ist Gott Odins Weltenbaum Yggdrasil, dessen Wurzeln bis in die Hölle reichen und dessen Wipfel den Himmel berührt. Das ursprüngliche Rätsel lautete: „Wie heißt der Baum, der mit breiten Ästen die weite Welt überwölbt? Fjolswid. Mimameid heißt er, kein Mensch weiß es, aus welchen Wurzeln er wuchs. Niemand ahnt’s, was ihn niederstreckt, Feuer nicht fällt ihn noch Stahl.“2
Christen möchten ihren geliebten „Christbaum“ damit nicht im Zusammenhang sehen. Und überhaupt schlägt er keine Wurzeln im Wohnzimmer. Wir schreiben den 6. Januar, die sogenannten Heiligen Drei Könige sind unterwegs und der Weihnachtsbaum fliegt traditionsgemäß wieder aus den Wohnungen. Es ist nur ein christlicher Brauch. Eine Tanne, die ein gemütliches Licht in der schönsten Zeit des Jahres spendet. Nur ein Baum? Gibt es hinter der beliebten Nordmanntanne möglicherweise einen tieferen Sinn?
„Der Weihnachtsbaum ist nicht vom heidnischen Weihnachtsbaum abgeleitet, sondern vom Paradiesbaum, der am 24. Dezember zu Ehren von Adam und Eva mit Äpfeln geschmückt wird. Der Weihnachtsbaum wurde erstmals 1605 in Straßburg gefunden.“3
Diese Erkenntnis stammt aus der New Catholic Encyclopedia von 1967. Der Schreiber hat hier den Nagel auf den Kopf getroffen. Es mag durchaus sein, dass sich die Vertreter der katholischen Kirche auch vom heidnischen Weihnachtsbaum haben inspirieren lassen. Aber dieser heidnische Brauch hat seine Wurzeln ebenfalls im Paradiesbaum. Es gab zwei Bäume im Garten Eden: den Baum des Lebens und den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Ich nehme an, dass der Autor des Eintrags in der katholischen Enzyklopädie den Baum des Lebens im Sinn hatte.
Wir werden im Laufe dieser Ausarbeitung sehen, dass der Christbaum, wie wir ihn kennen, nicht den Baum des Lebens symbolisiert. Er offenbart sich vielmehr als der verbotene Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Die Menschen in allen Ländern der Erde „naschen“ noch heute von diesem Baum. Es ist der Baum, der gemäß Bibel das Verderben brachte. Wir werden darauf zurückkommen.
Um die Geschichte des Weihnachtbaumes zu ergründen, beginnen wir mit den nordeuropäischen Ländern des Mittelalters. Dann geht es weiter über das antike Rom und Griechenland nach Babylon, Ägypten, Indien bis hin zum Paradies. Denn grundsätzlich wird dem Baum in allen alten heidnischen Kulturen eine Seele zugesprochen.
Der Christbaum, wie wir ihn heute kennen, scheint sich im Elsaß schon im 17. Jahrhundert durchgesetzt zu haben. Damals setzte sich ein Professor in Straßburg gegen diesen Brauch unter Christen ein. Im Haus des jungen Goethe wurde trotzdem 1765 ein Christbäumchen aufgestellt, mit Süßigkeiten behangen, darunter eine Krippe mit dem Jesuskind, Maria, Josef, Ochs und Esel.4
Die Nordeuropäer, Kelten, Germanen und Angelsachsen dachten sich den Baum als ihnen gleichstehend oder sogar übergeordnet. Man sah den Baumgeist als Doppelgänger und Schützer menschlichen Lebens an. Diese Baumseele nannt man „Lito“, den baumgestaltigen Geist des Wachstums. Der Baum, den man alljährlich im Wald umhieb und ins Haus holte, galt als der Vertreter von allen Bäumen. Es war der Dämon der gesamten Vegetation.5
Lito wurde auch ein Baum in Österreich bezeichnet, der auf einem Stab angebracht war, den die sogenannte Figur „Sommer“ im Frühling trug. Die Figur des Sommers wurde generell in Europa gefeiert. Sie wird mit Äpfeln, Birnen, Nüssen und flatternden Bändern in der Hand dargestellt. In Böhmen schlagen die Frauen mit dem „Sommer“ ihre Männer, indem sie rufen: „gieb was, gieb was, gieb was!“ Die jungen Männer tragen Äpfel bei sich, um sich von weiteren Schlägen loszukaufen. In der Lausitz zogen die Frauen in Trauerschleiern mit einer bekleideten Strohpuppe, die zur Grenze des nächsten Dorfes getragen und dort zerrissen wurde. Daraufhin gällten sie einen Baum, hingen das Hemd der Puppe daran, hielten daneben einen Festschmaus ab und trugen ihn unter Gesängen in ein Haus. In manchen Gegenden Böhmens hängte man eine aus Lumpen gefertigte Puppe in Gestalt einer weißbekleideten Frau an den Baum, den man zudem mit roten und weißen Bändern schmückte (heute Lametta). Auch dieses Bäumchen wurde Lito genannt.6
Maibaum am Viktualienmarkt München
Im Obererzgebirge tanzte man zur Sommersonnwende um den „Johannisbaum“; auf dem am Abend Lichter angezündet wurden. In Gelderland stellte man im Mai Bäume auf, die geschmückt und mit Kerzen besteckt werden. Der Maibaum, der noch heute in vielen Gegenden aufgestellt wird, zeugt davon. Nach einer Überlieferung aus dem Niederlitauen um 1570 gibt man den Dämonen der Bäume die Ehre, indem man Hähne schlachtet und Lichter anzündet.7
Man nimmt an, dass parallel zu den Sommersonnwendfesten ein Mitwinterfest gefeiert wurde. Im Mittelalter wurde dieses Fest dann in die christliche Weihnachtsmythologie umgedeutet und umgestaltet. So entstand der christliche Weihnachtsbaum.8 Die vermeintlich „lebensspendenden“ Äpfel (Baum der Erkenntnis) sind heute Christbaumkugeln getreten. Die Figur des Sommers mit weißem wallendem Gewand wurde zur großen weißen Frau, zur winterlichen Frau Holle, und letztendlich zum Christkind.
Der christliche Einfluss im Mittelalter zeigt sich auch in Gott Odin in der Vorstellung der skandinavischen Dichter des 9. und 10. Jahrhunderts. Odin war höchster Gott, seine Gattin ist Frigg, ihr Sohn Baldur. Mit Jord, der eigenen Tochter zeugt Odin Thor. Von anderen Frauen hat er mehrere Söhne, die in der nordischen Sprache „Sohn, Wille und Heilig“ heißen. Man geht davon aus, dass die Sage von der Trinität der Christen beeinflusst ist. Der heilige Geist wird dort „der Dritte“ genannt. Er ist Vater der Götter und Menschen. Er hilft den Menschen, aber tötet sie auch.9 In der germanischen Mythologie ist die Weltenesche der Sitz des Gottvaters Odin. Nach einem Gedicht hängt Odin an dem Holz der Esche „wie Christus am Kreuzesbaum“.10 Aber welch krasser Gegensatz zum biblischen Erlöser. In dem Gedicht huldigt sich Odin selbst:
„Ich weiß, dass ich hing am windbewegten Baum, neun Nächte hindurch,
Verwundet vom Speer, geweiht dem Odin, ich selber mir selbst,
An dem mächtigen Baum, von dem Menschen nicht wissen,
Aus welchen Wurzeln er wuchs.
Man bot mir kein Horn noch Brot zur Labung, nach unten spähte mein Auge,
Ächzend hob aufwärts die Runen, zu Boden fiel ich alsbald.
Und den Trank erlangt ich des trefflichen Metes, aus Odrerirs Inhalt geschöpft.
Zu gedeihn begann ich und bedacht zu werden, ich wuchs und fühlte mich wohl;
Ein Wort fand mir das andere Wort, ein Werk das andere Werk.“11
Odin wird am Baum aufgehängt. Er hat sich selbst zum Opfer hingegeben. Er erhält einen Runenzauber, der ihn erlöst und er fällt vom Baum. Daraufhin wächst und gedeiht er, wird geachtet und richtet mit Worten und Werken seine Untaten an.
Heimdall, ein anderer Gott, hat ebenfalls eine dunkle Seite. Er wird trotzdem als „der über die Welt Glänzende“ oder „Hellglänzende“ bezeichnet, eine Lichtgottheit. Er wird zudem als der vergöttlichte Regenbogen verstanden. Er ist der Wächter dieser Götterbrücke. Er wird von neun Jungfrauen geboren, die alle Schwestern waren. Als Wächter führt er ein Horn. Laut bläst er damit in die Lüfte. Der gellende Ton des Horns verkündigt das Ende. „Die Weltesche erzittert und der alte Baum rauscht.“ 12 Bis dahin aber ruht Heimdalls Horn unter der Esche Yggdrasil, in dessen Zweigen ein Adler, ein Habicht, vier Hirsche und ein Eichhörnchen mit Namen Ratatosk (Rattenzahl) wohnen. An der Wurzel unten sitzt der Wurm, und die Schlangen schlängeln sich darum. Der Weltenbaum der Esche hat drei Wurzeln. sie reichen zu den Menschen, zu den Riesen und zur Hölle. Die Zweige ragen in den Himmel. Yggdrasil ist eine Nachahmung des Kreuzbaumes, wie er im Glauben der christlichen Völker des Mittelalters entstand.13
Als einen Vorläufer des heutigen Christbaums gilt auch der „Julblock“, ein großer Holzklotz, den man im Herd in der „Mutternacht“ verbrennt. Man stellte sich vor, dass er am nächsten Tag als „Zweig Gottes“ oder Baum wieder hervorging, um den Menschen göttliche Gaben zu geben. Der Holzklotz soll den großen Gott (Nimrod/Set) symbolisieren, der gemäß der Sage in Stücke gehauen wurde, der nun als das göttliche Kind zur Wintersonnenwende geboren wird. Es erscheint zu dem Zweck, um den Mörder Gottes zu rächen. Der „große Gott“ wird als mächtiger Baum dargestellt, der alle seine Äste verloren hat, der bis auf den Stumpf umgehauen worden war. Gemäß der Legende wand sich die große Schlange Ascuapius als Symbol des wiedergeborenen Lebens, um diesen Baumstrunk.14
Aus dem Südfranzösischen ist der Brauch überliefert, wonach die Familie am Weihnachtsabend loszog, um den "Christblock“ ins Haus zu holen. Während Lieder gesungen werden, gießt das jüngste Kind des Hauses ein Glas Wein über den Christklotz, ruft „den höchsten Namen“ aus und wirft ihn ins Feuer. Nachdem der Holzblock vom jüngsten Familienglied geweiht wurde, wird die Tafel reich gedeckt, an der die angereisten Kinder und Enkel teilnehmen. Vor Schlafengehen wird der angekohlte Klotz aus dem Feuer genommen und bis Neujahr aufbewahrt. In der Eifel legte man am Weihnachtsabend einen Holzstamm an den Feuerherd, der als „Christbrand“ bezeichnet wurde. Der Klotz, meist aus Eichenholz wurde so in den Feuerherd eingegraben oder angebracht, dass das Holz nur mitglimmt, Während der Nächte zwischen Weihnachten und heilig Dreikönig wird er auf die Felder gestreut. 15 Was sagt die Bibel zu solchen Bräuchen?
„Siehst du nicht, was sie in den Städten Judas und auf den Straßen von Jerusalem tun? Die Kinder lesen Holz auf, und die Väter zünden das Feuer an, und die Frauen kneten den Teig, um für die Königin des Himmels Kuchen zu machen. Und anderen Göttern spendet man Trankopfer, um mich zu kränken.“ (Jeremia 7,17-18)
Die Eltern ziehen ihre Kinder schon früh in diesen Götzendienst mit hinein. Auch heute werden kleinen Kindern Lügen über den Messias erzählt und Märchen vom Weihnachtsmann und dem Christkind aufgetischt. Warum tut man das, wenn man heute genau weiß – im Gegensatz zu jener Zeit, als man glaubte, irgendwelche Götter besänftigen zu müssen – dass es eine Lüge ist? JaHuWaH sagt zum Propheten Jeremia, dass sie damit nicht Ihn „kränken“ wie sie annehmen, sondern sich selbst (Jeremia 1,19). Sie fügen sich selbst Leid zu, weil sie sich und ihre Kinder durch frühe Indoktrination den Zugang zum Schöpfer des Lebens abschneiden.
Innerhalb der zwölf Raunächte durfte auch Knecht Ruprecht mit seiner Rute nicht fehlen. Früher nahm man an, dass die Berührung mit einer Rute Krankheiten verhindert und böse Geister vertreibt. Auch war sie als Lebensrute bekannt, die feindlichen Zauber abwendet und als Symbol der Fruchtbarkeit galt.16
Knecht Ruprecht und das (nackte) Christkind.
Was sagt uns dieses Bild?
Knecht Ruprecht ist heute als der Weihnachtsmann oder der St. Nikolaus bekannt. Diese Figur ist niemand anderer als der wilde Jäger Wodan, der um die Wintersonnenwende mit seinen Hunden durch die Luft fährt. Später machten katholische Geistliche daraus den Engel Gabriel, der mit seinem Bracken (Jagdhunde der Wahrheit, der Gerechtigkeit, Friede und des Erbarmens) „das Einhorn (Christus) in den Schoß der Maria jagt“.17 Diese Szene des jagenden Engels mit dem Jagdhorn wurde im 14. und 15. Jahrhundert häufig in der Kirchenkunst dargestellt. Im 16. Jahrhundert veränderte sich auch die Rute. Sie wurde jetzt verwendet, um kleine Kinder zu „jagen“. Das heißt, man jagte ihnen einen Schrecken ein, um sie zu disziplinieren.
Im heidnischen Rom galt die Tanne als ein heiliger Baum. Der Baumstrunk spielt am Tag des Natalis invicti Solis, der unbesiegten Sonne am 25. Dezember zum Fest der Saturnalien ebenfalls eine wichtige Rolle. Denn er verkörpert den getöteten Nimrod, der an diesem Tag siegreich wieder aufersteht. In dieser Hinsicht stellt der Weihnachtsbaum mit seinen Lichtern den Nimrod redivivus – den wiederauferstandenen Nimrod dar. Im Isiskult hatten die Tempel Kandelaber. Im Tempel Apollos in Rom hatte er die Form eines Baumes, an dessen Zweigen Lichter wie Früchte hingen.18
Bei den Griechen galt die Mutter des Sonnengottes Adonis als die große „Mittler-Göttin“. Eines Tages verwandelte sie sich auf geheimnisvolle Weise in einen Baum, und in dieser Form gebar sie ihren Sohn. Den Sohn nannte man „Zero Ashta“, aus dem Chaldäischen kommend, was „Sohn des Weibes“ oder „Sohn des Feuers“ heißen kann. Der Same des Weibes wird auch als ‚ignigena‘ bezeichnet mit der Bedeutung „vom Feuer geboren“.19 Deshalb musste in der „Mutternacht“ ein Holzklotz durch das Feuer gehen. Der Altar von Apollo, dem Gott des Lichts, wurde mit Kränzen geschmückt, der vor den Türen neben einem Lorbeerbaum stand. Neben oder an den Pfosten der Haustüren oder am Lorbeerbaum selbst hing eine ewige Lampe oder Laterne.20
In Ägypten galt der heilige Baum (Ahorn oder Akazie) als Sitz der Göttin Hathor. Er stand südlich vom Tempel des Ptah (meist abgebildet mit dem Kreuzstab). Aber auch die Bäume am Rande der Wüste, wo die Nekropolen (Friedhöfe) angelegt waren, galten als Wohnort der himmlischen Göttin, die den toten Essen und Wasser spendete.21 Ein weiterer mächtiger Baum in Ägypten war die Sykomore, auch Adamsfeige genannt. Die Ägypter stellten sich ihn im Osten des Himmels vor. Er galt als der Lebensbaum, dessen Früchte die Toten ernährt. Vereinigt er sich mit Hathor oder „der Schlange, die die Sonne hütet“, wird er zu ihrem Sohn, dem sie ihre Brust reicht. So wird er wieder ein Kind.22
Der Feigenbaum wird bei vielen Völkern als heiliger Baum und Symbol der Fruchtbarkeit und des Überflusses verehrt. Bei den Griechen hatte er eine erotische Symbolbedeutung und war dem Dionysos heilig. In Indien gilt der vom Himmel herabwachsende Feigenbaum als Sinnbild der Welt. Unter einem Feigenbaum empfing Buddha die Erleuchtung, weshalb er als Bodhibaum (Erleuchtung=bodhi) bekannt wurde. Es ist der Baum der Erkenntnis.23
Nun kann man sich vorstellen woher das nervige Weihnachtslied „We wish you a Mary Christmas“ (Wir wünschen euch ein frohes Weihnachten) kommt. Denn der Refrain spricht in drei Strophen nur vom Feigenpudding: „Bring us some figgy pudding, bring us some figgy pudding“. Zu deutsch: „Bring uns Feigenpudding, Bring uns Feigenpudding.“ Und weiter in ständiger Wiederholung: „Wir alle mögen Feigenpudding, wir werden nicht gehen, bis wir etwas haben“. Und das läuft vier Wochen vor Weihnachten im Radio „rauf und runter“. Bring uns Feigenpudding. Es scheint fast so, als würde der Sänger den Feigenbaum anbetteln, von seinen Früchten zu geben, damit er sich mit den Zutaten Gut und Böse einen Pudding mischen kann.
Gemäß dem koptisch-gnostischen Text aus Codex II, der in Nag Hammadi gefunden wurde, heißt es vom Baum der Erkenntnis: „Seine Blätter sind wie Feigenblätter. Seine Frucht ist wie die guten, großen Datteln.“24 Das apokryphe Thomas-Evangelium macht daraus fünf Bäume, „die sich Sommer und Winter nicht verändern und deren Blätter nicht abfallen. Wer sie kennt, wird den Tod nicht kosten.“ Im Orient ist es die Zypresse und der Feigenbaum, die ihre Blätter nicht abwerfen.25
Der Apfel als Frucht des Baumes der Erkenntnis kam erst später. Die altchristliche Kirche kennt ihn noch nicht. Es kann sein, dass der Apfelbaum aufgrund der gleichlautenden Worte im Lateinischen für Leid (malum) und Apfel (mälum) zustande kam.
In der christlichen Kunst der frühen Kirche wird öfter der Feigenbaum als Baum der Erkenntnis abgebildet, was auf althebräische Tradition zurückgehen soll.26 Ein Relief eines bei Velletri gefundenen Sarkophages zeigt eine Verführungsszene im Paradies. Mit der Frucht im Maul kriecht die Schlange auf Adam zu und hält sie ihm entgegen. Der Baum der Erkenntnis ist deutlich als Feigenbaum abgebildet.27. Auch in dem Kuppelbild in den Loggien des Vatikan in Rom (1513) von Raffel Sanzio windet sich die Schlange um den Feigenbaum.28
„Die Saat des heiligen Feigenbaums“ ist der Titel eines Films des iranischen Regisseurs Mohammad Rasulof, der bei uns im Dezember 2024 in den Kinos angelaufen ist. Das Drama handelt von einem Ermittlungsrichter und seiner Familie vor dem Hintergrund der 2022 beginnenden Proteste gegen die theokratische Regierung im Iran. Es geht um Gehorsam und um Menschen, die in einem ideologischen Umfeld arbeiten, wie der Vater, der dadurch seine eigenen moralischen Werte verliert. Seiner Familie tritt er mit zunehmendem Misstrauen und Paranoia entgegen. Rasluof beschreibt den Zyklus des Feigenbaumes als eine Metapher für diese Geschehnisse wie folgt:
„Die Früchte werden von Vögeln gefressen und die Samen in deren Kot weitergetragen. Die Saat sucht sich dann einen anderen Baum als Wirt, umschlingt ihn und erwürgt, also tötet ihn schließlich.“29
In den asiatischen Religionen ist der Banyanbaum von zentraler Bedeutung. Für Hindus ist der Baum eine der Ruhestätten des Gottes Krishna. Das Pseudo-Matthäus-Evangelium, in dem das Christuskind einem Palmbaum befielt, er solle sich bis zur Erde neigen, um der von der Reise ermüdeten und durstigen Maira seine Früchte darzubieten, ähnelt dem Banyanbaum im Hinduismus. Auch im Buddhismus gibt es diese Legende: Die Zweige des Baumes neigten sich zu Buddhas Mutter Majá herab, als sie Buddha im Freien zur Welt bringt.30 Von daher rührt auch der Banyanbaum als Symbol des „Weltphalus“, als der „Baum des Lebens und der Zeugung“.31
Die Geburt Buddhas erinnert an die islamische Geschichte wie Isa (Jesus) zur Welt kommt. Gemäß dem Koran flüchtet Maria in die Wüste und gebar dort unter einer Dattelpalme ihren Sohn Isa. Die Geburt war durch Wunder umrahmt. Als sie Hunger und Durst bekam, sagte eine Stimme unter ihr: „Bekümmere dich nicht; dein Herr hat unter dir ein Bächlein fließen lassen; und schüttle nur den Stamm des Palmbaumes zu dir, so werden frische reife Datteln auf dich fallen.“ (Sure 19,24-25)32 Das Baby Isa konnte sogar sprechen (Sure 19,30-33).
Buddha soll seine Erleuchtung unter dem „Baum der Erkenntnis“ errungen haben. Der Böse wollte ihn sofort im Nirvana aufnehmen, aber Buddha wies die Versuchung zurück, um seine Erkenntnis den Menschen weiterzugeben. Erst wenn er „genügend Jünger gewonnen habe, Mönche, Nonnen, Laienbrüder und Laienschwester, durch die der Bestand seiner Lehre und des heiligen Wandels gesichert sei“, wolle er ins Nirvana eingehen.33 Das Böse ist letztendlich das Gute. Denn die Bestrebung des Menschen ist gemäß dem Buddhismus nach den mühevollen und bewährungsreichen Wiedergeburten ins Nirvana einzugehen. Das Sanskritwort Nirvana bedeutet ‚erlöschen‘. Das Lebenslicht erlischt und damit ist man vom Leid des Lebens erlöst. Der Mensch löst sich im Nichts auf. Er existiert nicht mehr. Dieser Zustand wird als ewige Seligkeit und als höchster Bewusstseinszustand der Selbstverwirklichung verkauft.
In der alten asiatischen Religion des Hinduismus und Buddhismus kann der religiöse Mensch vier Einweihungsgrade zur absoluten Erleuchtung bis zum Nirvana erreichen. Innerhalb dieser Grade gibt es verschiedene Stufen. Erreicht man die siebte Stufe des vierten Grades, ist man nur noch einen Schritt von der „Wurzelbasis“ entfernt. Diese Wurzelbasis hat einen Namen: der große lebende Mensch-Banyan. Ein „wundersames Wesen“ aus einer „höheren Region“.34
Der hinduistische Banyanbaum hat seinen Ursprung in Babylon. Es beginnt mit Nimrod, der „erste Gewaltherrscher auf Erden“ und „mächtiger Jäger“ gegen JaHuWaH (1. Mose 10,8-9; 1. Chronik 1,10). Er war der Enkel von Ham (1. Mose 10,8) und Urenkel von Noah. Nimrods Wiedereinführung des Götzendienstes nach der Sintflut wurde in den Legenden und Pantheons der verschiedenen götzendienerischen Nationen weitergegeben. Nach Nimrods Tod (ca. 2000 v.Chr.) erhöhte man ihn zum Gott. Die Legende besagt, Semiramis habe einen ausgewachsenen immergrünen Baum aus den Wurzeln eines toten Baumstumpfes wachsen sehen, was für Nimrod das Entstehen neuen Lebens symbolisierte. Er sei aufgestiegen zur Sonne und sei jetzt Sonnengott. Am Jahrestag seiner Geburt, sagte sie, würde Nimrod den immergrünen Baum besuchen und Geschenke darunter hinterlassen. Sein Geburtstag fiel auf die Wintersonnenwende Ende Dezember. Von Nimrod wird uns in der Bibel berichtet, dass er der erste König und Gewaltherrscher auf Erden war, der den Trumbau zu Babel in Auftrag gab (1. Mose 10,8-10). Später wurde Semiramis als Himmelskönigin verehrt.
Die indische Tradition kennt auch die Vorstellung von einem umgekehrt gewachsenen Baum, dessen Wurzeln im Himmel verankert und dessen Zweige unter der Erde ausgebreitet sind. Die Bhagavad Gita deutet den umgekehrten Baum als Symbol für die Entfaltung alles Seienden aus einem Urgrund: Die Wurzeln repräsentieren das Prinzip aller Erscheinungen, die Zweige die konkrete und detailreiche Verwirklichung dieses Prinzips. Der umgekehrte Baum taucht auch noch in anderen Zusammenhängen auf, so in der Kabbala als Lebensbaum oder im Islam als Baum des Glücks.35
Im Koran wird der Baum der Erkenntnis von Gut und Böse nie so genannt, sondern wird als „Zaqqum Baum“ vorgestellt. Es ist wahrscheinlich, dass er an die frühchristlichen Motive vom Baum der Erkenntnis angelehnt ist, wie er in den Thomas- und Petrusakten dargestellt wird. Jüdische Gelehrte haben angenommen, die geflochtenen Feigenblätter, mit denen sich Adam und Eva bekleidet haben, seien die Blätter des Erkenntnisbaums gewesen. Im sogenannten syrischen Testament des Adam heißt es: „Ich, Seth fragte meinen Vater Adam: Wie heißt die Frucht, wovon du aßest? Er sagte: Es war ein Feigenbaum, mein Sohn.“36
Im Koran kommt der Baum Zaqqum „aus dem Grunde der Hölle“ und dessen Früchte sind „Satansköpfen“ gleich (Koran Sure 37,65-66), weshalb man davon nicht essen soll (Sure 7,19). Die „Irrenden und Leugner“ sollen am „Tage des Gerichts“ von diesem Baum essen (Koran, Sure 56,51-56). Die Früchte dieses Baumes sind „die Speise des Sünders“, die „wie geschmolzenes Erz [...] in den Bäuchen kochen“ soll. (Koran, Sure 44,42-48).
Was bedeutet das Wort Zaqqum? Die verbreitetste Erklärung geht davon aus, dass es sich dabei um eine Süßspeise aus Datteln (tamr) und Rahm (zubd) handelt. Andere gehen davon aus, dass es sich dabei um eine übelschmeckende Speise handelt, von einem rauen, und faulig riechenden Baum.37
Palmbäume, allen voran die Dattelpalme, galt bei den Babyloniern als Gottesbaum. In Ägypten scheint sie als Lebensbaum bekannt gewesen zu sein. Die immergrünen Blätter der Palme sind ein Sinnbild für das ewige Leben. Der eingangs bereits erwähnte Psychiater C.G. Jung sieht in der aufwärtsstrebenden Gestalt der Palme ein Symbol der Seele.38
Es gibt auch jüdische Legenden vom Lebensbaum. Eine handelt vom Stab Mose. Nachdem Seth den Zweig des Paradiesbaumes für seinen Sterbenden Vater holte, pflanzte er das „himmlische Reis“ (Samen) in die unfruchtbare Sanderde einer Wüste, wo er bald zu einem hohen Baum emporwuchs und viele Jahrhunderte dort verwaist stand. Zweitausend Jahre später kam Mose in die Wüste Sin und erblickte einen kühlen Garten, dessen Wohlgeruch ihn wie ein „belebender Odem Gottes“ anwehte. Der „Baum des Herrn“ streckte ihm seine Arme entgegen. Als Mose nach seinem Schlaf unter dem Baum erwachte, stieg ein „ätherischer Jüngling“ vom Gipfel des Baumes herab. Es war der „funkelnde Morgenstern“, der das „flammende Schwert des Herrn an den Hüften trug. Mose erschrack vor der „furchtbar schönen Wundergestalt“ und viel auf sein Angesicht. Der Jüngling stellte sich als der „Hüter des Garten Edens“ vor. Er schlug einen großen Zweig vom Baum ab und berührte damit den Kopf Mose. Aus seinem Scheitel fuhren sofort zwei breite Feuerstrahlen empor, die solange daran blieben, solange er sein „königliches Priesteramt“ ausführte. Der Zweig des Baumes sollte sein zukünftiger Zeichen- und Wunderstab werden.39zubd
Ein christlich-katholisches Gedicht von Heinrich von Freiberg aus dem Jahr 1393 handelt ebenfalls vom Lebensbaum und der Legende von Adam und seinem Sohn Seth. Als Seth das Paradies und den Baum sah, „ward ihm das Auge schier geblendet, denn vor ihm lag in lichter Glut gebreitet rote Feuerflut. Doch war er vor der Flammen Macht von seinem Vater vorbedacht. Versehen mit geheimen Zeichen, die in der Wunderwirkung gleichen.“ Der ihm begleitende Engel wies ihn ein zweites Mal an, in den Garten zu schauen. „Und Seth, zum Garten kommend, sah an jenem Baume eine lange Gewundene, erstarrte Schlange“. Der Engel befahl ihm, ein drittes Mal in den Garten zu schauen. Seth sah einen dritten Baum „der streckte durch den Weltenraum die Wucht der Äste weit empor hinauf bis zu des Himmelstor“. Weiter beschreibt der Dichter trefflich den heidnisch-katholischen Hokuspokus:
„[...] und ein Kindlein, neugeboren, gleich einer Wiege auserkoren,
das hoch da oben wunderbar in Tüchlein sanft gebettet war. [...]
Und den Entschlaf’nen senke du die Apfelkörnlein in den Mund.
Bald werden sich von seinem Schlund drei Bäume heben aus dem Samen.
Die Zeder heißt des ersten Namen;
Zypresse man den zweiten nennt, den dritten man als Tanne kennt.
Der Bäume Dreizahl ist geweiht, der heiligen Dreifaltigkeit.
Die Zeder ist des Vaters Zeichen, dem Sohne die Zypresse eigen.
Vom hei’lgen Geist die Tanne spricht, der Gottheit Bild und Sinngedicht. [...]
Der Reiser gründe Dreiheit soll ein Sinnbild,
heilig und geweiht, für uns sein der Dreieinigkeit“
40
Das Baumkreuz
(aus: Herder-Lexikon Symbole,
1978, S. 25)
In der katholischen Kirche wurde teilweise „Christus selber als der wiedererbrachte Lebensbaum“ angesehen. Gemäß der Legende nahm Adam einen Apfel oder Ableger des Baumes der Erkenntnis aus dem Paradies mit sich und pflanzte ihn ein, daraus spross ein Baum, aus dessen Holze das Kreuz gemacht wurde, an dem der Erlöser hing. Maria wird als der „blühende und unvergängliche Garten“ geschildert, in welchem der Baum des Lebens gepflanzt sei, „der allen ungehindert die Frucht der Unsterblichkeit mitteilt“.41
Das „Siegeskreuz“ wird im Stundengebet (Offizium) der katholischen und evangelischen Christen als „Baum des Lebens“ erhöht. Im Sinne der Ökumene und Angleichung an die katholische Kirche versucht die ACK (Arbeitskreis Christlicher Kirchen) die Anbetung des Kreuzes zu rechtfertigen: „Die betende Anrede an das Kreuz bedeutet keine Vergöttlichung des Kreuzes als Gegenstand, sondern eine poetische Form der Verherrlichung des Erlösers, der am Kreuz sein Blut zur Erlösung der Welt vergossen hat.“42
„So spricht der HERR [JaHuWaH]: Lernt nicht den Weg der Heiden und erschreckt nicht vor den Zeichen des Himmels, auch wenn die Heiden sich vor ihnen fürchten! Denn die Bräuche der Heiden sind nichtig. Denn ein Holz ist’s, das man im Wald gehauen hat und das der Künstler mit dem Schnitzmesser anfertigt. Er verziert es mit Silber und Gold und befestigt es mit Hämmern und Nägeln, damit es nicht wackelt; sie sind gedrechselten Palmbäumen gleich, sie können nicht reden; man muss sie tragen, denn sie können nicht gehen. Fürchtet euch nicht vor ihnen, denn sie können nichts Böses tun, und auch Gutes zu tun steht nicht in ihrer Macht!“ (Jeremia 10,2-5)
Gemäß der Freimaurerbibel von Albert Pike ist es Gott der das Chaos „schuf“. Das zeigt sich im Dreieck, dass „einen Gott in drei Personen“ darstellt. „Der dunkle Kreis präsentiert das Chaos, das Gott am Anfang schuf.“ Das Kreuz innerhalb des Kreises sei das Licht, durch das das Chaos erschaffen wurde.43
Nach einer chaldäischen Legende lehrt Dagon, der Fischmensch, dass alle Wesen, auch die Menschen, aus dem Wasser erschaffen wurden. Die „Urerde“ sei der Schlamm unter dem Wasser. Wenn sich dieser Schlamm transformiert, wird er zum klaren Wasser. In seiner Ursubstanz sei es das Alkahest (das Kreuzsymbol wie es heute noch verehrt wird). Diese Ursubstanz sei der „Atem des Lebens“. Dies leite sich von der „Inkubation des Geistes Gottes auf der Oberfläche des Wassers ab – das Chaos; tatsächlich ist diese Substanz das Chaos selbst.“ In einem alten östlichen Mythos heißt es, dass es nur Wasser (den Vater) und den fruchtbaren Schleim (die Mutter) gab, aus dem die weltliche Schlangenmaterie hervorkroch. Es war der Gott Phanes, der Offenbarte, das Wort oder der Logos.44
Die Gründerin der Theosophie Helena Blavatsky beklagt, dass die Schlange im 1. Buch Mose zu einem Synonym für Satan, dem Fürsten der Finstern degradiert wird. Und das, obwohl sie z.B. als Agathodämon das Sinnbild der Heilkunst ist und für die Unsterblichkeit des Menschen steht.45 Im Logo der Theosophischen Gesellschaft findet sich deshalb auch die Schlange dargestellt, wie sie sich in den Schwanz beißt, weil sie die Welt mit ihrem astralen Licht umkreist.
In der ägyptischen Mythologie wird Kneph, die Schlange, mit den höchsten Göttern Ra und Amun identifiziert. Zugleich ist es der phönizische Agathodämon. Dieser Gott wird in Gestalt einer Schlange dargestellt und galt in der späteren griechischen Zeit als der höchste unsterbliche Gott. Man verehrte ihn als Demiurg, der die Welt in Gestalt eines Eies hervorbrachte.46 Dieser Agathodämon sei der gute Geist, laut der Okkultistin Blavatsky.47
Die Schlange ist ein wichtiges Symbol auch in der Freimaurerei. Nicht nur für die Gnostiker oder in der Kabbala gilt sie als Urheber des Schicksals der Seelen (im positiven Sinn). Bei den Ägyptern war sie ein Symbol der göttlichen Weisheit, wenn sie ausgestreckt war, und der Ewigkeit, wenn sie den Schwanz im Maul hatte. Der ägyptische Gott Serapis wird auf einer Schlange sitzend dargestellt oder mit ihr umschlungen. Der heilige Basilisk gilt in der Mythologie als König der Schlangen und war das königliche Zeichen der Pharaonen. Man kann sich fragen, warum die Papstkirche den Namen Basilika und die Bauform der antiken Hallenbauten für ihre Kirchen nach der konstantinischen Wende übernommen hat. Der Schlangenträger Äskulap war der heilende Gott, der während der Mysterien von Eleusis gefeiert wurde. Die ägyptischen Priester fütterten die heiligen Schlangen im Tempel von Theben. Bei den Mysterien des Bacchus hielten Beamten Schlangen über ihren Kopf und riefen laut „Eva!“48 Die gehörnte Schlange ist eins der Herrschersymbole der Ägypter. Die Portale der ägyptischen Tempel wurden mit Schlangen verziert. Die Schlange, die sich um ein Ei windet, war ein gemeinsames Symbol der Inder, Ägypter und Druiden.
Bevor wir zum Schluss nochmal auf den Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen zurückkommen, sollen noch zwei uralte Schöpfungsmythen aufgegriffen werden. Der Unterschied der beiden Bäume in der Bibel kann damit besser verstanden werden. Ich greife darauf im nächsten Artikel an verschiedenen Stellen zurück. Das eine ist das Gilgamesch-Epos das andere das Enuma elisch. Wer sich damit nicht abgeben möchte, kann es mit Klick auf: überspringen.
Ich fange mit dem Gilgameschepos an.49 Gilgamesch ist ein berühmter Held verschiedener altorientalischer epischer Dichtungen, aus denen das Gilgamesch-Epos entstand. Nach der sumerischen Königsliste ist Gilgamesch der 5. König der ersten Dynastie von Uruk nach der Sintflut. Die frühesten Dichtungen über Gilgamesch stammen aus Fragmenten von Tontafeln aus dem 3. Jahrtausend v.u.Z. Im Mythos ist er zu einem drittel Mensch und zu zwei drittel Gott. Gilgamesch ist ein despotischer Herrscher über UrukUr im südlichen Irak">50. Ab der zweiten Hälfte des 2. Jahrhunderts wurden die 12 Tontafeln zum Epos zusammengestellt mit dem Titel „Derjenige, der die Tiefe sah“.
Gilgameschs tyrannische Regierung über das Volk in Uruk, führt dazu, dass sich die Frauen bei der Göttin Ischtar beschweren. Um den Herrscher zu bändigen, erschafft sie aus Lehm Engidu (oder Enkidu). In Träumen erfährt Gilgamesch von ihm. Gilgameschs Mutter kann ihm den Traum deuten und unterrichtet ihn von der bevorstehenden Ankunft Engidus. Engidu ist ungebildet und weiß „nichts von Land und Leute“. In der Steppe, wo er wohnt, ernährt er sich von Gazellen und Kräuter. Er ist Beschützer der Wildtiere. Ein Jäger, dem Engidu aus Tierliebe die Jagd verdorben hat, schickt eine Tempeldirne zu ihm in die Steppe hinaus, die ihn in die städtische Zivilisation locken soll.
Er kommt „am dritten Tag“ bei Engidu an. „Am dritten Tag“ nach seiner Ankunft gelingt ihm die List. Engidu vergnügt sich in seiner Gier ausschweifend sechs Tage und sieben Nächte mit der Prostituierten. Die Tiere entfremden sich von ihm. Da gibt ihm die Dirne den Rat zum Anu-Ischtar-Tempel zu gehen und Gilgamesch aufzusuchen. Da Engidu „einen Freund sucht“ machte er sich auf den Weg. Als er Gilgamesch trifft, entsteht ein Zweikampf, Gilgamesch siegt, aber die Gegner schließen Freundschaft. Bald hat Engidu Sehnsucht nach seiner Steppe. Er verflucht die Dirne. Der Sonnengott aber erwidert ihm, dass sie für ihn doch so viel Gutes getan habe.
Die Freunde ziehen wieder los, um gegen Chuwawa (oder Humbaba) zu kämpfen, da Gilgamesch die Zedern fällen möchte. Gott Inlil hat Chuwawa dorthin gesetzt, um die heilige Zeder zu bewachen.. Zuerst bitten sie jedoch Gilgameschs Mutter Ninsun, „die große Königin, die alles weiß“ um Rat. Die opfert gerade dem Sonnengott Schamasch und bittet, ihr Sohn möge Chuwawa töten und alles, „was Schamasch hasst“ im Land ausrotten.
Als die beiden Freunde am Zaubergarten ankommen, erschlagen sie die Wächter, weil sie ihnen den Zutritt verwehren wollen. Staunend betrachten sie den „Zauberberg, die Wohnung der Götter, das Heiligtum der Irnini. Die Zeder erhebt sich in prächtiger Fülle, schön und wonnevoll ist ihr Schatten.“ Am Schluss der 3. Tafel des Epos wird angedeutet, dass Chuwawa eine Drachengestalt ist. Gilgamesch solle ihn besiegen und damit alles Böse, das der Sonnengott Schamasch hasst, im Lande ausrotten.
Gilgamesch bendigt einen Löwen
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Nachdem die Helden nach Uruk zurückgekehrt sind, begehrt Ischtar die Liebe des Gilgamesch um seiner Schönheit willen. Zum Lohn soll er mit Schätzen überschüttet werden, Könige sollen ihm die Füße küssen und er würde die Weltherrschaft erlangen. Gilgamesch weist jedoch die Liebe der männertötenden Ischtar höhnend zurück. Denn er weiß, dass sie schon viele Liebhaber in die Unterwelt fahren hat lassen. Wütend über die Abweisung steigt Ischtar zum Himmel Anu empor, und bittet den Vater, einen „Himmelsstier” zu schaffen, der Gilgamesch töten soll. Anu gewährt es ihr. Mit dem Beistand Engidus schlägt Gilgamesch den Stier nieder. Nach dem Siege setzten sich die beiden vor dem Sonnengott Schamasch nieder. Ischtar kocht vor Wut.
Gilgamesch aber füllt die ausgerissenen Hörner des Stieres mit Salböl und hängt sie als Weihegabe im Tempel am Throne seines Vaters und seines Gottes Lugalbanda auf. Nach feierlicher Händewaschung im Heiligen Euphrat ziehen die beiden siegreichen Helden durch die Marsstraße von Uruk, von den Bewohnern der Stadt umjubelt. Dann wird im Palast ein Freudenbankett gefeiert. Tage später träumt Engidu von seinem nahenden Tod, der bald darauf eintritt. Gilgamesch trauert sechs Tage und sieben Nächte und begräbt dann den Freund. Er bekommt Angst, es würde ihm das gleiche Schicksal ereilen. Denn Enlil forderte den Tod beider, nachdem sie den Himmelsstier und Chuwawa getötet hatten.
Wehklagend und in Todesfurcht zieht Gilgamesch hinaus in die Wüste, wo er das „Tod-Leben-Geheimnis“ ergründen will. Er möchte wissen, wie man Unsterblichkeit erlangen kann. Er betet zum Mondgott Sin, denn zu Ischtar durfte er nicht mehr beten. Er gelangt zum Grenzberg der Welt, wo das Sonnentor steht. Ein Skorpionmenschenpaar bewacht das Tor. Die Frau lässt Gilgamesch passieren und gibt ihm einen Rat für die Weiterreise zu seinem Ahn Utnapischim, dessen Namen bedeutet: „der das Leben sah“. Dieser durfte in die Versammlung der Götter eintreten.
Der Weg führt Gilgamesch in das Gebirge hinein, der das Osttor und das Westtor der Sonne verbindet. Vor ihm breitete sich das ans Meer grenzende Paradies aus, dessen Bäume Edelsteine tragen. Dort wohnt eine verschleierte Göttin mit Namen Sabitu (anderer Name: Sidiru). Sie erschrickt vor Gilgamesch und verschließt ihm die Tür. Denn trotz seines „Götterfleisches“ sah er ausgemergelt und gebeugt aus. Gilamesch verschafft sich mit Gewalt Zutritt und erzählt seine Abenteuer und das Ende seines Freundes, „dem das Schicksal der Menschen widerfuhr“. Er bittet Sabitu, den Weg zu seinem Vater Utmapischtim zu zeigen. Sie warnt ihn vor den Wassern des Todes, die die Insel umgeben. Nur der Fährmann mit Namen Ur-Schanabi könne ihn unbeschadet hinüberbringen. Der Fährmann befiehlt Gilgamesch, mit Hilfe der Axt 120 Stangen mit je 60 Ellen herzustellen. Nach 1 Monat und 15 Tagen nähern sie sich dem Inselwohnsitz des Utmapischtim.
Gilgamesch erzählt auch hier sein Schicksal und bittet ihn, er möge ihm mitteilen, wie er das ewige Leben erreichen könne. Utmapischtim weicht zunächst aus, nur der Tod sei ewig, das Leben sei zeitlich. Nach wiederholtem Bitten erzählt er Gilgamesch „das Mysterium der Götter“, die Sintflutgeschichte und seine Rettung. Er rät Gilgamesch zunächst, er solle sechs Tage und sieben Nächte nicht schlafen. Das schafft dieser jedoch nicht. Utmapischtims Frau backt sieben Brote, die sie neben Gilgamesch legt, worauf dieser aufwacht. Da es noch immer nicht zu helfen schien, befiehlt Utmapischtim den Fährmann, Gilgamesch an den „Waschort“ zu fahren, wo eine Reinigungszeremonie vorgenommen wird. Nach der Rückkehr verrät ihm Utmapischtim auf Zureden seiner Frau „eine geheimnisvolle Kunde”: Tief unten im Ozean wächst ein Dorngewächs, das Leben gibt. Dieses Gewächs hat den Namen „obwohl ein Greis, wird der Mensch wieder jung”.
Gilgamesch beschwert seine Füße mit Steinen und taucht in die Tiefe hinab. Das Kraut zerstach ihm die Hände, aber er war glücklich, dass er das verheißene Kraut gefunden hatte. Er brach auf nach Uruk, um auch den Leuten dort davon zu essen zu geben. Er selbst will es dann essen, um zu ewiger Jugend zurückzukehren. Auf der Rückreise nach Uruk, während er ein Bad in einer Grube mit kaltem Wasser nimmt, roch eine Schlange den Duft des Krautes, stieg empor und nahm ihm das Kraut weg. Die Schlange selbst konnte sich damit verjüngen, indem sie sich häutet.
Wehklagend kehrt Gilgamesch nach Uruk zurück. Er möchte nun den Geist seines verstorbenen Freundes beschwören. Seine Mutter Ninsun hilft ihm dabei, aber es misslingt. Nun hilft ihm Nergal, der Herr der Unterwelt, selbst. Engidus Totengeist steigt gleich einem Wind aus dem sich aufgetanen Erdloch empor. Er erklärt dem Freund die Gesetze der Unterwelt. Der Leib wird demnach zu Staub, die Seele lebt als Totengeist in einem trübseligen Zustand weiter. Die Dichtung endet mit einem Lied vom „freundlicheren“ Schicksal des im Kampf gefallenen Helden und „vom ruhelosen Geschick des Totengeistes, dessen Leib unbegraben blieb und der keinen Wasserspender hat.“51
Die Tafel XI des Gilgamesch-Epos mit der Flutkatastrophe ist hier ausgelassen. In einem Hymnus wird Gilgamesch als der „Gewichtigste der Menschen“ gepriesen, „der aussieht wie ein Gott“, dem „der Sonnengott Gericht und Entscheidung anvertraut hat”. Nachdem er von der Welt verschwunden war, ist er der „Verwalter und Herr der Unterwelt”, der „das Gericht verwaltet”.52 Ich kommentiere das an dieser Stelle nicht weiter und gehe zum altbabylonischen Schöpfungslied Enuma elisch über.
Das Enuma elisch fasst die verschiedenen Strömungen des akkadischen Denkens über die Entstehung der Welt zusammen. Dieses Werk umfasst sieben Tafeln mit durchschnittlich je 150 Versen. Dank der zahlreichen Fragmente von Keilschrifttafeln, die in Assur, Kisch, Ninive und Sippar gefunden wurden, konnte es wieder hergestellt werden. Die Ältesten der Fragmente stammen aus dem 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, die Jüngsten aus dem 2. Jahrhundert v.u.Z. Man geht davon aus, dass die ursprüngliche Fassung in der Epoche der ersten babylonischen Dynastie vom 19.-17. Jahrhundert v.u.Z zurückgeht.53
Fragment einer Tafel aus dem babylonischen Mythos Enuma Elisch Ausgegraben in Kish (Mound W), neuassyrische Periode (ca. 700 v. Chr.), Ashmolean Museum
@ Zunkir, CC BY-SA 4.0
Gemäß dem Enuma elisch,54 gab es am Anfang weder Himmel noch Erde. Nur eine gestaltlose Materie bestand von Ewigkeit her, das Urgewässer. Aus seiner Masse lösten sich zwei Anfangsursachen ab, Apsu und Tiamat. Apsu ist der männliche Gott, auf dem die Erde schwimmt. Er repräsentiert den unterirdischen Süßwasserozean. Er umgibt die Welt wie ein kreisförmiger Fluß. Tiamat ist das Meer, aus dem alle Geschöpfe hervorgehen. Sie ist die weibliche Gottheit. Andere Quellen sprechen von einem zweigeschlechtlichen Wesen mit vier Augen und vier Ohren. „Oben“ ist sie Bel und „unten“ Nin-lil. In einer späteren Fassung werden die Kräfte des Ur-Chaos mit der Hölle verglichen. Aus der ersten Tafel geht hervor, dass das Meer von vielgestaltigen Ungeheuern wimmelt, das von auseinanderstrebenden Kräften zerrissen wird. Tiamat wird vom Schöpfungslied selbst als Ungeheuer angesehen. Sie wird als ein „kubu“ bezeichnet, was Fötus bedeutet. Vor unserer Zeit konnte dieser Fötus ausgestoßen und ein schädlicher Dämon werden. Tiamat ist der „Embryo der Welt“. Es kann sein, dass sie den Drachen oder die Riesenschlange repräsentiert.55
Es gibt eine weitere Gottheit im Enuma elisch: Mummu. Es könnte sich entweder um die dritte Person der Gottheit oder um einen Beinamen der Tiamat handeln. Die semitische Wortwurzel amu bedeutet „sprechen“ und so machten einige Ausleger daraus eine Art „Wort“, das aus dem Götterpaar Aspu und Tiamat hervorgegangen war. Teilweise geht man aber wieder zur alten Auffassung über, dass Mummu ein Beiname der Tiamat ist, und „Mutter“ bedeutet.56
Aus dem ersten Götterpaar gehen weitere Generationen von Göttern hervor. Dabei vergehen jedoch Zeitalter, bis sich die Götter ausgestalten. Es taucht ein weiteres Götterpaar auf, das dem vorhergehenden überlegen ist. Es sind die sumerischen Götter des Himmels (Anschar) und der Erde (Kischar). Nach weiteren langen Jahren entsteht Anu, der Himmelsgott, der mit seinem Vater in Wettstreit tritt. Der Sohn übertrifft seine Eltern in Weisheit und Kraft. Die Babylonier verehrten eine höchste Dreiheit aus Anu (über den Himmel), Elil (über der Erde) und Ea (über das Wasser). Ea hat den Beinamen Nudimmud. Das bedeutet „Erzeuger“. Er erschafft die Menschen. Elil der Gott über die Erde wird kaum genannt, was daran liegt, dass Marduk, der Sohn des Ea, dessen Persönlichkeit ganz in sich aufgenommen hat, und man die Dreiheit durch Anu, Ea und Marduk ersetzte. Ea ist der Gott der Wasser, der Weisheit und der Magie.57
Noch bevor die Welt vollendet ist, kommt Streit auf zwischen den alten und jungen Göttern. Da „das Geschrei“ seiner Kinder den Vater Apsu nicht schlafen lässt, beschließt er – trotz dem wütenden Einwänden seiner Gattin – seine Nachkommen zu beseitigen. Ea bekommt davon Wind und schleudert seine Zauberwaffen auf Apsu und tötet ihn. Jetzt ist Ea der Gott der Wasser. In Marduk lebt Aspu weiter und wird zum zukünftigen König des Weltalls. Marduk verfügt über einen vierfachen Gesichtssinn und einem vierfachen Gehör.58 Er ist eine Sonnengestalt und verkörpert das wiederkehrende Leben. Marduk ordnet das Chaos des ungestümen Meeres. In Tafel VI wird die Begegnung von Marduk mit Tiamat und der Sieg über die jungen Götter erzählt. „Von nun an tritt an die Stelle der von selbst erfolgenden und gesetzlosen Erschaffung der rohen kosmischen Kräfte die Ordnung des Geistes.“59
Im Himmel erbaut Marduk einen Palast, der dem des Apsu entspricht. Nachdem er den Himmel geordnet hat, widmet er sich der Festigkeit der Erde. Der Leib der Tiamat bildet das Ausgangsmaterial dafür. Er zerteilt Tiamat, das Meer, und sammelt die obere Hälfte ihrer Wasser in den Wolken. „Aus ihren Augen fließen der Tigris und der Euphrat. Die Berge sammeln sich auf ihrer Brust. Ihr zum ‚Band des Himmels und der Erde‘ gewundener Schwanz deutet den Nabel der Welt an.“
Marduk beendet sein Werk, „indem er den Rechtsstand der Götter bestimmt. Zu diesem Zweck erschafft er den Menschen“. Der Mensch ist dazu erschaffen, „den Dienst an den Göttern durch den Kult und die Opfer zu versehen“.60 Ferner soll der Mensch die von Marduk besiegten Götter von deren Todesdrohung befreien, indem er (der Mensch) sich an deren Stelle opfert. So will Marduk unter einer Bedingung die Götter begnadigen: Einer von ihnen muss sterben. Die Götter sind Marduk dafür sehr dankbar und errichten ihm zu Ehren Esagil, den babylonischen Tempel. Der junge Gott Kingu ist der Auserkorene, er wird zum Sündenbock. Er erscheint vor Ea, der ihm die Kehle durchschneidet. Aus dessen Blut erschafft Ea die Menschen. Der Mensch ist damit bei seiner Erschaffung bereits unrein und unschuldig mit Blut besudelt.
„Der Mensch ist also bei seiner Entstehung kein reines und unschuldiges Wesen. Zweifellos fließt in seinen Adern das Blut eines Gottes, aber eines schuldigen und verurteilten Gottes, ein verdorbenes, mit Sünde und Tod belastetes Blut. Letzten Endes übernimmt der Mensch die Strafe für ein Verbrechen, das er nicht begangen hat.“61
Es gibt zahlreiche weitere Mythen über die Schöpfung, aber das obige ist eines der Bekanntesten. Ich kommentiere auch das nicht weiter, will aber im nächsten Artikel über die biblische Erzählung der Schöpfung, den Sündenfall und den Baum des Lebens Teile dieses Mythos wieder aufgreifen.
In dieser Schöpfungslegende ist das Böse auffällig. Und trotzdem vermengt es sich in dieser Welt immer mit dem Guten. So wird auch Marduk bzw. Ea, der durch Marduk ersetzt wurde, in Gebeten und Beschwörungsformeln als „Barmherziger Herr“ bezeichnet. So heißt es in einer Beschwörungsformel:„Marduk, barmherziger Gott, [...] Marduk, dessen Reinigung Wohlsein erwirkt, [...] Marduk, dessen Beschwörungsformel beruhigt, [...] Marduk, der Leben gibt, [...] Marduk, durch dessen Beschwörung das Böse herausgerissen wird, [...] Marduk, der das Böse abwehrt“62, usw. In der Welt der jüdischen Kabbala wird in das gleich alte Horn geblasen. Dort heißt es im Buch Tanja (Likkutej Amarim):
„Jeder Jude, sei es ein Gerechter oder ein Böser, besitzt zwei Seelen, wie geschrieben steht 'und Seelen schuf Ich' – zwei Seelen. Eine Seele stammt von Seiten der Kelipa63 und Sitra Achra und 'kleidet' sich in das Blut des Menschen, um den Körper zu beleben, wie geschrieben steht: 'Denn die Seele des Fleisches ist im Blut.' Von dieser (Seele) stammen alle bösen Attribute, die den vier bösen Elementen in ihr entspringen. [...] Auch die guten Attribute wie Erbarmen und Wohltätigkeit, die in der Natur ganz Israels von Geburt an enthalten sind, entstammen dieser Seele. Denn beim Juden stammt diese Kelipa-Seele von Kelipat Noga (wörtlich ‚schimmernde Kelipa‘), die auch Gutes enthält. (Diese Kelipa) kommt vom esoterischen ‚Baum des Wissens um Gut und Böse‘“64
Böse ist gut und gut ist böse. Es spielt keine Rolle. Für den Menschen gibt es keine Sünde. Denn Sünde entsteht nur vom Abstieg von oben nach unten „unter der Einwirkung der Höheren Kraft“, so erklärt es der Kabbalist Michael Laitman in seinem Kommentar zum Hauptwerk der Kabbala, der Sohar, Kapitel ‚Wajikra‘. Weiter schreibt er:
„Während unseres Aufstiegs von unten nach oben, können wir niemals Sünde begehen. Folglich enthüllen wir nur die Sünden, die in uns ursprünglich existieren und vom Schöpfer stammen. Der Schöpfer erschuf den bösen Anfang, deshalb ist es unmöglich, ein noch größeres oder gar anderes Übel zu begehen.“65
Es wird alles auf den Kopf gestellt. Es ist der Schöpfer der in uns die Sünde enstehen lässt. In der Gnosis66 haben beide Bäume, der Feigenbaum (Baum der Erkenntnis) und der Granatapfelbaum (Baum des Lebens) ebenfalls heilsgeschichtliche Aufgaben. In dem in Nag Hammadi gefundenen koptisch-gnostischen Text (Codex II), stehen beide Bäume im Norden des Paradieses und bilden ein zusammengehöriges Paar. Beide Bäume sind gut. Der Baum der Erkenntnis ist dafür zuständig, die Seelen aus dem Schlaf der Dämonen zu erwecken. Er öffnete den Verstand der ersten Menschen. Auf diese Weise sollen sie zum Baum des Lebens finden, der sie am Ende der Weltzeit unsterblich macht, nachdem sie den Körper überwunden haben. 67
Damit war Emanuel Kant in guter Gesellschaft mit seiner esoterischen Auslegung, wonach das Essen der Frucht vom Baum der Erkenntnis den Menschen tatsächlich „aus der Vormundschaft der Natur in den Stand der Freiheit“ befördert habe.68 Das ist jedoch nicht der Sinn des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen. Hier wird der Schlange gefolgt, die den Menschen sagt, sie können frei und wie Gott sein, wenn sie davon essen.
In Goethes Faust bittet der Schüler des Mephistopheles diesen um ein Autogramm in sein „Stammbuch“. Wir kennen ein solches Buch heute als Poesiealbum, in das z.B. Mitschüler einen Sinnspruch schreiben. Im eigentlichen Sinn ist es bezeichnenderweise ein Buch, in das die Angehörigen derselben Familie eingetragen werden. Der Teufel nimmt das Buch von seinem Schüler und schreibt: „Eritis sicut Deus, scientes bonum et malum“ (Du wirst sein wie Gott und Gut und Böse kennen). Als der Schüler sich entfernt, schiebt er noch hinterher: „Folg nur dem alten Spruch und meiner Muhme, der Schlange. Dir wird gewiss einmal bei deiner Gottähnlichkeit bange!“ Da ist wenigstens noch etwas Ehrlichkeit im Spiel.
Leider werden die beiden Bäume, die in der Bibel beschrieben werden, der Baum des Lebens und der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen auch von christlichen Theologen immer wieder vertauscht. Mal ist Christus der Lebensbaum, mal der Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen. Hier haben wir wieder das Verwirrspiel Satans, der den Menschen weismacht, dass auch Christus beides ist, gut und böse, yin und yang.
Es gibt zahlreiche Theologen, die sich die „Doppelung der Bäume“69 im Paradies nicht erklären können. Man kommt deshalb zu dem Schluss, dass die ursprüngliche Paradiesgeschichte nur einen Baum kannte: Den Baum der Erkenntnis von Gut und Böse. Es wird argumentiert, dass es sich um einen „Fehler in der Erzähltechnik“ von 1. Mose 2,17 handelt. Man nimmt an, dass es - wie in den alten Schöpfungsmythen auch - in der Bibel ursprünglich nur einen einzigen Baum gegeben haben konnte. Vor über 150 Jahren hat diese Auslegung die Okkultistin und Gründerin der Theosophischen Gesellschaft Helena Blavatsky bereits gelehrt. Der indische Banyanbaum sei sowohl der Baum der Erkenntnis als auch der Baum des Lebens gewesen.70 Christliche Theologen gehen soweit zu behaupten, „dass in der ursprünglichen Fassung der Lebensbaum derjenige Baum gewesen ist, der verboten wird und von dem die Menschen essen“71 Unter der Oberfläche von 1. Mose Kapitel 2-3 soll eine ältere Erzählung, die „Paradiesgeschichte“, verborgen sein.72
Das Problem liegt wohl daran, dass man den alten Schöpfungsmythen mehr Beachtung schenkt als der biblischen Erzählung. Es ist tatsächlich so, dass diese babylonischen Schöpfungslegenden und alle nachfolgenden Mythen weltweit nur von einem einzigen Baum berichten. Und wenn doch einmal von zwei Bäumen die Rede ist, sind beide für den Menschen hilfreich. Möglicherweise gibt die Schöpfungserzählung der Bibel, die jüngeren Datums ist, als die Schöpfungsmythen der Sumerer, Akkadier und Ägypter, auf deren Mythen eine Antwort.
Die Frage müsste doch lauten: Warum steht in der Bibel der zweite Baum? Warum ist der eine Baum der des Lebens, der andere der Baum der Erkenntnis? Warum ist Erkenntnis schlecht? Warum ist es die Erkenntnis von Gut und Böse? Warum ist es nicht so aufgeteilt, dass der eine Baum der Baum des Guten ist, und der andere der Baum des Bösen? Wäre das nicht eindeutiger? Dieser Frage gehen wir im nächsten Kapitel auf den Grund: Unser Schöpfer ist anders – der Baum des Lebens (folgt in Kürze).
1 August Wünsche, Die Sagen vom Lebensbaum und Lebenswasser – Alorientalische Mythen, Verlag E. Pfeiffer, Leipzig 1905, S. 13-14
2 Wolfgang Golther, Handbuch der Germanischen Mythologie, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1895, S. 528
3 New Catholic Encyclopedia, Band III, Cahtolic University Press, Washington 1967, S. 659
4 Wilhelm Mannhardt, Wald- und Feldkulte, Band 1: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme, Gebrüder Bornträger, Berlin 1875, S. 239-240
5 ebenda, S. 9.155-158.253
6 ebenda, S. 244.251-157
7 ebenda, S. 244-246
8 ebenda, S. 249
9 Wolfgang Golther, Handbuch der Germanischen Mythologie, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1895, S. 355-359
10 ebenda, S. 348
11 ebenda, S. 348-349
12 ebenda, S 360-363
13 ebenda 528-532
14 Albert Lüscher, Babylon, Weihnachten und Ostern, Pflugverlag Langenthal. 1986, S. 26
15 Wilhelm Mannhardt, Wald- und Feldkulte, Band 1: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme, Gebrüder Bornträger, Berlin 1875, S. 227-228
16 Paul Herrmann Deutsche Mythologie, Verlag Wilhelm Engelmann, Leipzig 1906, S. 37
17 Wilhelm Mannhardt, Wald- und Feldkulte, Band 1: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme, Gebrüder Bornträger, Berlin 1875, S. 251
18 Walter Alison Phillips‚Lights, Ceremonial Use of‘, in: Hugh Chisholm (Hrsg.). Encyclopædia Britannica, Band 16, Cambridge University Press, 1911, S. 677
19 Alexander Hislop, von Babylon nach Rom, CLV Bielefeld, 1997, S. 89-90
20 Carl Bötticher, Ergänzungen zu den letzten Untersuchungen auf der Akropolis zu Athen – großer Altar der Demeter zu Eleusis, S. 13-42, in: Philologus – Zeitschrift für das klassische Altertum, Ernst von Leutsch (Hrsg.), Band 25, Dieterichschen Buchhandlung, Göttingen 1867, S. 25-26
21 Adolf Erman, die ägyptische Religion, Verlag Georg Reimer, Berlin 1909, S. 27-28
22 ebenda, S. 109
23 Herder-Lexikon Symbole, Herder Freiburg im Breisgau 1978, S. 49
24 Alexander Böhlig, Pahor Labib (Hrsg. u. Übersetzer), Die koptisch-gnostische Schrift ohne Titel aus Codex II von Nag Hammadi, Akademie-Verlag, Berlin 1962, S. 67
25 ebenda, S. 65
26 Josef Kirchner, Die Darstellung des ersten Menschenpaares in der bildenden Kunst, Verlag F. Enke, Stuttgart, 1903, S. 16-17
27 ebenda, S. 34
28 ebenda, S. 164-165
29 Interview der MOIN Filmförderung mit Mohammad Rasoulof, ‚Es gibt immer Hoffnung‘, 02.10.2024, https://moin-filmfoerderung.de/aktuelles/2024/10/02/die-saat-des-heiligen-feigenbaums, abgerufen am 05.01.2025
30 Richard Garbe, Indien und das Christentum, J. C B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1914, S. 76
31 Karl Christ/W. F. Bahr, Symbolik des Mosaischen Cultus. Band 1, J.C.B. Mohr, Heidelberg 1837, S. 224
32 Koran, nach der Übersetzung von Max Henning, Reclam Universalbibliothek, 1991
33 Richard Garbe, Indien und das Christentum, J. C B. Mohr (Paul Siebeck), Tübingen 1914, S. 55
34 Helena P. Blavatsky, Secred Doctrine, Band 1, Theosophical Puplishing Company, London 1888, S. 206-207
35 Herder-Lexikon Symbole, Herder Freiburg im Breisgau 1978, S.24
36 Tilman Nagel (Hrsg.), Der Koran uns sein religiöses und kulturelles Umfeld, R. Oldenbourg Verlag München 2010, S. 119
37 Matthias Radscheit, Der Höllenbaum, in: Tilman Nagel (Hrsg.), Der Koran und sein religiöses und kulturelles Umfeld, R. Oldenbourg Verlag, München 2010, S. 98-100
38 Herder-Lexikon Symbole, Herder Freiburg im Breisgau 1978, S. 122
39 August Wünsche, Die Sagen vom Lebensbaum und Lebenswasser – Alorientalische Mythen, Verlag E. Pfeiffer, Leipzig 1905, S. 41-42
40 ebenda, S. 55-70
41 Wilhelm Mannhardt, Wald- und Feldkulte, Band 1: Der Baumkultus der Germanen und ihrer Nachbarstämme, Gebrüder Bornträger, Berlin 1875, S. 242-243
42 Radu Constantin Miron, Worüber man sich wundert - Acht Erläuterungen zum orthodoxen Kreuzverständnis, in: Theologie des Kreuzes - Statements aus unterschiedlichen konfessionellen Perspektiven, S. 25-26, www.oekumene-ack.de/fileadmin/user_upload/Publikationen/Doku_Studientag_Kreuz_Download.pdf; abgerufen am 05.01.2025
43 Albert Pike, Morals and Dogma of the Ancient and Accepted Scottish Rite of Freemasonry, Prepared for the Supreme Council of the Thirty-Third Degree for the Southern Jurisdiction of the United States, and Published by its Authority, Charleston, Entered according to Act of Cengress, 1871 in the Office of the Librarian of Congress at Washington; Entered according to Act of Congress 1903 by the Supreme Council of the Southern Jursistiction, USA in the Office of the Librarian of Congress, Washigton, S. 791.782-783
44 Helena P. Blavatsky, Isis Unveiled – A Master-Key to the Mysteries of Anfient and Modern Science and Theology, Band 1, New York 1877, S. 133 u. 146
45 ebenda, S. 157
46 Pierer’s Universal-Lexikon, Band 9. Altenburg 1860, S. 600
47 Helena P. Blavatsky, Isis Unveiled – A Master-Key to the Mysteries of Anfient and Modern Science and Theology, Band 1, New York 1877, S. 133
48 Albert Pike, Morals and Dogma of the Ancient and Accepted Scottish Rite of Freemasonry, Prepared for the Supreme Council of the Thirty-Third Degree for the Southern Jurisdiction of the United States, and Published by its Authority, Charleston, Entered according to Act of Cengress, 1871 in the Office of the Librarian of Congress at Washington; Entered according to Act of Congress 1903 by the Supreme Council of the Southern Jursistiction, USA in the Office of the Librarian of Congress, Washigton, S. 494
49 Das Epos besteht aus mehreren gefunden Tontafeln. Ich fasse es nachfolgend aus dem Buch von Alfred Jeremias ‚Babylonische Dichtungen, Epen und Legenden‘ von 1925 zusammen.
50 Uruk war eine mesopotamische Stadt am Euphrat in der Nähe der antiken Stadt Ur im südlichen Irak
51 Alfred Jeremias, Babylonische Dichtungen, Epen und Legenden, Heinrich’sche Buchhandlung Leipzig 1925, S. 22-30
52 ebenda, S. 22
53 Die Schöpfungsmythen – Ägypter, Sumerer, Hurriter, Hethiter, Kanaaniter und Israeliten, Mit einem Vorwort von Mircea Eliade, Wissenschaftliche Buchgesellschaft Darmstadt, 1993, S. 121
54 Ich fasse hier den Inhalt eines Kommentars zu Enuma elisch aus dem Buch ‚Die Schöpfungsmythen‘ der Seiten 122-130 nachfolgend zusammen.
55 ebenda, S. 23
56 ebenda, S. 124
57 ebenda, S. 125
58 ebenda, S. 127
59 ebenda, S. 128
60 ebenda, S. 129
61 ebenda, S. 130
62 Barbara Böck, Das Handbuch Muššu’u ‚Einreibung‘ – Eine Serie sumerischer und akkadischer Beschwörungen aus dem 1. Jt. vor Chr., Consejo Superior de Investigaciones Científicas, Madrid 2007, S. 256
63 Kelipa ist in der kabbalistischen Terminologie ein Wort für das Böse.
64 Schneor Salman von Ljadi, Lukkutej Amarim Tanja, Kapitel 1, ins Deutsche übertragen von Levi Sternglanz, Wien 2007, abzurufen auf: https://de.chabad.org/library/article_cdo/aid/583061/jewish/Das-Buch-Tanja.htm; Hervorhebungen hinzugefügt
65 Michael Laitman, Der Sohar – Erster Einblick in das Hauptwerk der Kabbala, Laitman Kabbalah Publishers, Toronto 2020, S. 214
66 Der Gnostizismus enstand um die Jahrtausendwende vor 2000 Jahren. Das Wort Gnosis bedeutet Wissen oder Erkenntnis. Gnostiker sehen sich über den Dingen und Menschen stehen, weil sie über geheimes Wissen verfügen, ,die andere Menschen nicht haben.
67 Alexander Böhlig, Pahor Labib (Hrsg. u. Übersetzer), Die koptisch-gnostische Schrift ohne Titel aus Codex II von Nag Hammadi, Akademie-Verlag, Berlin 1962, S. 65-67
68 Emanuel Kant Mutmaßlicher Anfang der Menschengeschichte, Werke IX 38-102, in: Paul Kübel, Metamorphosen der Paradieserzählung, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 2007, S. 7
69 Paul Kübel, Metamorphosen der Paradieserzählung, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2007, S. 34
70 Helena P. Blavatsky, Secred Doctrine, Band 2, Anthropogenesis, Theosophical Puplishing Company, London 1888, S. 217
71 Paul Kübel, Metamorphosen der Paradieserzählung, Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2007, S. 68
72 ebenda, S. 72