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„… junge Männer ohne Makel, schön von Gestalt und klug in aller Weisheit, einsichtsvoll und des Wissens kundig, die tüchtig wären, im Palast des Königs zu dienen, und dass man sie in der Schrift und Sprache der Chaldäer unterwiese.“    

 

Junge Männer


Die Jugendlichen dürften zwischen 14 und 18 Jahre alt gewesen sein, als sie an den babylonischen Hof kamen. Josef z.B., als er in die Sklaverei verkauft wurde, war zwischen 17 und 18 Jahre alt (1. Mose 37,2).

Die Frage stellt sich, ob nicht genügend Jugendliche aus dem eigenen Lande vorhanden waren, um am königlichen Hof ausgebildet zu werden. Es scheint, als erachtete der König die babylonische Jugend in Genie, Weisheit und körperlicher Vorzüge weit hinter derjenigen der Israeliten.

 

Ohne Makel und Klug in aller Weisheit


Körperliche Gesundheit und ein gutes Aussehen waren damals im Orient für Angestellte mit höherem Rang am Hofe eines Königs unverzichtbar. Bei den ausgewählten Gefangenen durfte es zudem auch an Weisheit nicht mangeln, denn sie sollten später am Palast des Königs dienen. Dazu gehörte auch die Schrift und die Sprache der Chaldäer, die sie erlernen sollten.

 

 

In Schrift und Sprache der Chaldäer


Die Sprachen die damals in Babylonien gesprochen wurden, waren Akkadisch (eine semitische Sprache), die Eingeborenensprache Babyloniens; Sumerisch, die antike Sprache der Sumerer; sowie Aramäisch, die Sprache des internationalen Handels und der Diplomatie. Es gab drei Hauptbildungszentren in Babylonien: die Städte Sippar, Uruk und Babylon.

 

 

Chaldäer

 

Chaldäa wird in der Bibel zur Zeit Abrahams mit der Stadt "Ur in Chaldäa" erstmals in 1. Mose 11,28; 15,7 erwähnt. Die Chaldäer werden von dem griechischen Geschichtsschreiber Diodorus Siculus (1. Jahrhundert v.u.Z.) als „die ältesten der Babylonier“ bezeichnet. Seit ältester Zeit ist der Name der Chaldäer unter der Form „Chasdim“ bekannt.1 Der assyrische König Sanherib spricht von den Chaldäern als der eigentlichen babylonischen Bevölkerung im Unterschied zu den Arabern und Aramäern.2

Mesopotamien KarteMesopotamien innerhalb der heutigen Staatsgrenzen.
Chaldäa liegt im Südosten Mesopotamiens.
© Goran tek-en, CC BY-SA 3.0
Es gibt zwei Arten von Chaldäern, die von Strabon (griechischer Geschichtsschreiber 63 v.u.Z. bis 23 u.Z.) ganz deutlich in Mesopotamien lokalisiert wurden: die einen am persischen Golf, die anderen in Babylon, Uruk und Borsippa. Der römische Politiker und Schriftsteller Cicero (106 bis 43 u.Z.) spricht in De divinatione I, Kap. 1 von Chaldäern, die „in eben diesem Land [der Assyrer] wohnten und nicht wegen ihrer Kunst, sondern wegen ihrer Abstammung so genannt werden". Mit diesen Worten deutet Cicero darauf hin, dass es zwei Auffassungen über die Bedeutung des Wortes „Chaldäer“ gibt. Zum einen sind „Chaldäer“ diejenigen, die eine bestimmte Kunst ausüben, wie das Wahrsagen mit Hilfe der Himmelskörper. Andererseits bilden die Chaldäer ursprünglich einen Volksstamm. Die "sternkundigen Chaldäer“ in den weiten Ebenen Mesopotamiens werden „Chaldäer“ genannt, so Strabon, weil sie vom Volk der Chaldäer abstammen.3

Der Begriff Chaldäer im Zusammenhang mit Astrologie, Wahrsagerei und Zauberei liegt also daran, dass Chaldäa-Babylon von alters her die Heimat und der Hauptsitz der Astrologie war und auch nach dem Untergang des Neubabylonischen Reiches zunächst blieb.4 Der Ausdruck Chaldäer wird innerhalb des Buches Daniel auf beiderlei Weise benutzt. In Textstellen wie Daniel 2,2 bezieht er sich auf den beruflichen Stand der wahrsagenden Priester. In anderen Passagen wird der Begriff im ethnischen Sinne benutzt, ohne jeglichen Hinweis auf Wahrsagepriester (z.B. Daniel 3,8; 5,30). Es ist ein alter Volksstamm im Süden Mesopotamiens. In Babylon waren diese Priester für ihre Künste als Wahrsager, Magie und Sterndeuter berühmt. Sie vereinten alle drei Künste, welche in Daniel 2,2 aufgeführt sind.

Die Chaldäer waren berühmt für ihr astronomisches Wissen, wie auch für ihre astrologischen Aktivitäten. Die Weissagekunst der Chaldäer ging im Allgemeinen Hand in Hand mit der Astrologie. Sie beeinflussten die gesamte Lebenstätigkeit, alle öffentlichen und privaten Unternehmungen der Chaldäo-Babylonier und Assyrer, und zwar in einem Maße, wie dies bei keinem anderen Volke der Fall war. Jede chaldäische Stadt hatte eine oder mehrere Sternwarten, die zur Beobachtung der Gestirne und sonstigen atmosphärischen Erscheinungen dienten. In Chaldäa und Babylonien wurde die Sternwarte zugleich als Tempel benutzt.5

Die Chaldäer führten systematische Beobachtungen der Himmelskörper an, um herauszufinden, wie deren Konstellationen auf die Naturerscheinungen und die Geschicke der Menschen einwirken. Man vermerkte das Zusammentreffen der Stellungen und Erscheinungsphasen der Himmelskörper mit Ereignissen auf der Erde, und glaubte so, „den Schlüssel zur Ergründung der Zukunft gefunden zu haben“.6 Die Gestirne lenkten das Weltall und bestimmten das menschliche Schicksal auf der Erde. Sämtliche Beobachtungen wurden tabellarisch verzeichnet, um als Richtschnur für Vorhersagen zu dienen.  Man leitete aus den Beobachtungen am Himmel und auf Erden Vorhersagen ab, wie z.B.: 

„Ist der Mond am Ersten des Monats sichtbar, so wird das Land gedeihen und das Herz desselben frohlocken“
„Ist der Mond von einem Hof umgeben, so wird der König den Vorrang gewinnen.“
„ist die rechte Seite der Mondsichel lang, die linke dagegen kurz, dann wird die Hand des Beherrschers eines anderen Landes Berühmtheit erlangen.“ „Zeigt der Mond am 1. und 27. Des Monats dasselbe Aussehen, so ist dies ein verängnisvolles Zeichen für Elam.“ „Ist die Sonne bei ihrem Untergang doppelt so groß als gewöhnlich und mit drei bläulichen Kreisen umzogen, so wird der König des Landes zu Grunde gehen.“ „Ist der Hundstern verhüllt, so wird das Herz des Landes bekümmert sein.“6

SiebensternDie Astrologie nahm somit eine immer bestimmtere Form an. Sie wurde mit der Astronomie verbunden, woraus sich eine „aus Wahrheit und Selbsttäuschung bestehenden Wissenschaft“ herausbildete.8 Die Chaldäer verehrten die Himmelskörper nicht nur, sondern beteten sie auch als Gottheiten an. Auf die Chaldäer geht auch der sogenannte Chaldäische Siebenstern zurück, auch die Chaldäische Reihe genannt. Diese chaldäische Reihe bestimmt noch heute unseren ununterbrochenen Wochenzyklus mit den planetarischen Wochennamen.

Gemäß Diodorus Siculus hatten die Chaldäer vier Hauptfächer: Beobachtung der Vögel, die Wahrsagerei aus den Eingeweiden der Opfertiere, die Auslegung aller Arten Naturerscheinungen und die Deutung der Träume. Unter den Keilschrifttexten des großen auguralwissenschaftlichen Werkes des Königs Sargon I. finden sich vier Fragmente, aus denen deutlich hervorgeht, dass die Chaldäer in den Eingeweiden der verschiedensten Tiere vorbedeutende Wahrzeichen suchten.9 So heißt es in einem gefundenen Schriftfragment:

„Finden sich in den Eingeweiden eines Esels auf der rechten Seite Eindrücke, so erfolgt Überschwemmung.“, „Sind die Eingeweide eines Esels auf der rechten Seite gewunden und bläulich, so wird Trauer einkehren in das Land des Herren.“10

Die Kunst, aus den Eingeweiden der Opfertiere zu weissagen, verbreitete sich von Babylonien aus über alle benachbarten Länder, einschließlich Palästina, wo ihre Ausübung den Hebräern ausdrücklich verboten war.

Die Chaldäer scheinen schließlich die Kontrolle über das gesamte Reich Babylon übernommen zu haben, als der Chaldäer Nabopolassar, der Vater Nebukadnezars II., das Neuabylonische Reich 625 v.u.Z. gründete. Auch Nebukadnezar II. wird in Esra 5,12 als Chaldäer bezeichnet und wird in 2. Chronik 36,17 als „König der Chaldäer“ genannt. Seit Nebukadnezar II. ist die Bezeichnung Chaldäer im Grunde ein Synonym für die Babylonier geworden.




1 François Lenormant, Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer, Jena 1878, S. 311 Up

2 Calwer Bibellexikon – Biblisches Handwörterbuch, Calw/Stuttgart, 1885,  S. 126 Up

3 Bartel Leendert van der Waerden , Die „Ägypter“ und die „Chaldäer“, Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Springer-Verlag Berlin Heidelberg GmbH, 1972; S. 206 Up

4 Calwer Bibellexikon – Biblisches Handwörterbuch, Calw/Stuttgart, 1885,  S. 127 Up

5 François Lenormant, Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer, Jena 1878, S. 425.440 Up

6 Ebenda, S. 425 Up

7 Ebenda, S. 425 Up

8 Ebenda, S. 426 Up

9 Ebenda, S. 449.451 Up

10 Schriftfragment Lajard, Culte de Mithra, Tfl. XVII, Nr. 88, in: François Lenormant, Die Magie und Wahrsagekunst der Chaldäer, Jena 1878, S. 453 Up